Dienstag, 14. Dezember 2010

Das erste Mal

Standard am Wochenende.
Jaja, der Titel ist etwas zweideutig. Kommen wir also gleich zur Sache, um alle Zweifel aus dem Weg zu räumen – hier geht es nicht (nur?) um Triebe, sondern darum, dass ich innerhalb dieses Jahres so viele Dinge zum ersten Mal mache wie davor lange nicht mehr. Einige erste Male werde ich euch hier auflisten – viel Spaß damit.

Seit September 2010 habe ich in Frankreich zum ersten mal...
  • Eine der besseren Animationen (Fête des lumières)
    die Hälfte meines Monatsgehalts für Zugfahrten ausgegeben
  • ein 30.000-Mann Fußballstadion von innen gesehen (und auch irgendwie mitgefiebert)
  • ein und derselben Residentin (Demenz) dreimal im fünfminuten-Abstand gesagt, dass sie schon gefrühstückt hat
  • einen Kampf zwischen zwei agressiven Lesben in der Disco mitbekommen
  • einen Sprinter mit einer Tonne Nachrungsmitteln durch eine Großstadt gekurvt
  • sechzehn von 72 Stunden in Zügen und Mitfahrgelegenheiten verbracht
  • gänzlich alleine und in Eigenverantwortung gelebt
  • infolgedessen Hotel Mama/Papa erst richtig zu schätzen gelernt
  • zwei Dellen in den Sprinter von der Tafel und zwei weitere Autos gefahren – innerhalb eines Monats
  • Plätzchen von meinem Vater, einen Kuchen von meiner Oma und einen Adventskalender von meiner Mutti per Post erhalten
  • regelmäßig Tagebuch geführt
  • gemerkt, wie es ist, die Woche mit Arbeit zu verbringen und dem Feierabend und dem Wochenende entgegenzufiebern
  • angesichts dessen überlegt, dass mein Leben später mal anders aussehen soll
  • einer Residentin beim Frühstück erklärt, dass es morgen und nicht abend ist
  • gelernt, dass die Mühlen der Bürokratie laaangsam mahlen (→ Gehalt!)
  • einen sechszigjährigen homosexuellen Vater kennengelernt, der mich mehr als offensichtlich angegraben hat
  • EU-Hilfsgüter in der Hand gehalten
  • Rotwein getrunken und genossen
  • eine Anhalter-Reise durch halb Frankreich gemacht (genauerer Bericht folgt)
  • meine Freunde vermisst und mich besonders gefreut, von ihnen zu hören
  • an einem Sonntagmorgen mit dem Gedanken gespielt, mit drei Freiwilligen für ca. drei Stunden Meer eine dreistündige Hin- und eine dreistündige Rückfahrt an die Côte d'Azur zu unternehmen (nicht zum ersten Mal sind solche Pläne dann an den Finanzen und der Vernunft zerschellt)
  • gesehen oder gespürt, dass es tatsächlich Menschen gibt, die gemeinnützige Einrichtungen wie eine Tafel für Menschen in prekärer Lage dreist ausnutzen
  • darüber nachgedacht, ob ein VW-Bus nicht eine wunderbare Anschaffung wäre
  • die Schulzeit und die Leichtigkeit dieser Zeit vermisst
  • einer Frau über achtzig auf die Toilette geholfen, dann vor der Tür zum Warten angehalten unfreiwillig den Geräuschen gelauscht

Eine weitere Animation (Fête des lumières)
Ja, so ist es, dieses Leben und dieses Jahr – ein Abenteuer voller schöner oder nicht so schöner Überraschungen, aber definitiv die Erfahrung wert.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Freizeit

Bischwiller bei Strasbourg
Nach der Arbeit, die etwas mehr Zeit als ein üblicher Schultag einnimmt, habe ich doch tatsächlich noch Zeit, mich anderen Dingen zu widmen. War mir das am Anfang noch etwas zuwider, auch angesichts meiner unwohnlichen Wohnung, habe ich mich inzwischen gut darin eingefunden. Oft bin ich bei meinem Nachbarn zum Schwätzen, Fußballschauen oder auch nur (und da bin ich sehr dankbar!), um sein W-Lan im Warmen nutzen zu können – ansonsten müsste ich fürs Netz immer draußen herumsitzen, was zu dieser Jahreszeit eher unangenehm ist.

Borex nahe Genf
Aber mein Nachbar ist auch mal unterwegs, braucht seine Ruhe oder lernt für anstehende Klausuren – das bedeutet glücklicherweise nicht, dass ich mich langweile. Ich habe wieder angefangen (das ist im Abitrubel und danach erst recht etwas untergegangen), Klavier zu spielen und übe relativ regelmäßig abends, nachdem die «résidents» des Heims fertiggegessen und den Raum freigemacht haben. Mittwochnachmittags mache ich regelmäßig alleine die Animation, weil die Animatrice Eve dann ja nicht da ist, und dann bekommen die résidents auch die Früchte meines Übens zu hören – die Qualität ist zum Glück nicht so entscheidend – und sind darüber auch sehr froh. Da mein Repertoire derzeit auch noch nicht über ausreichende Länge verfügt, um die gesamte Animation zu füllen, wiederhole ich so ziemlich jedes Stück und auch das stört meine Mamis und Papis nicht, im Gegenteil.

Beaucourt bei Montbßeliard
So, zurück zum Thema. Sport kommt nach der Arbeit meistens auch nicht zu kurz – ich versuche, wöchentlich ein- bis zweimal zu joggen. Das ist zwar nicht die Welt, oft genug kann ich mich aber eben nicht aufraffen, weil sich mein Schülerkörper noch nicht ganz an Arbeit und den nicht ganz genügenden Schlaf gewöhnt hat.
Ansonsten schau ich mir auch mal gerne eine Folge Stromberg an, koche hin und wieder (Hauptsächlich esse ich im Moment allerdings Heimfraß, um Geld zu sparen...), male ein bisschen vor mich hin, gehe alle zwei Wochen zum Treffen der Jungen Grünen (das ist eine Gruppe junger Leute, die sich für gemeinsame gesellschaftliche und ökologische Ziele einsetzten wollen – zufällig befindet sie sich gerade im Neuenstehen, was mir erlaubt quasi von Anfang an dabeizusein) oder renne dem Haushalt hinterher (das ist nicht zu wenig...!)
Tassin bei Lyon hihihi





A propos Hinterherrennen: Meinem Gehalt renne ich auch noch hinterher, bisher ist kein einziger Sous vom Staat auf meinem teuren Konto meiner Kackbank eingegangen. Morgen gehe ich mal wieder zur Sécurité Sociale, um nachzufragen, wie es aussieht und den neu aufgesetzten Vertrag abzugeben (der vorige – nicht von mir ausgefüllt, sondern der kompetenten Sekretrice des Heims – hatte wohl einen oder zwei Fehler). Im Wissen, dass ich nicht der einzige Freiwillige, der wartet, bin, hoffe ich allerdings, dass das bis Ende des Jahres noch was wird.
Annonay, garnicht so weit weg von Lyon

Wenn die Hälfte des Jahres vorüber ist, gibt es übrigens ein weiteres fünftägiges Seminar mit allen Freiwilligen – bei CANNES! Ja, richtig gehört, im Januar geht es für uns alle an die Côte d'Azur und ich fieber diesen Tagen schon entgegen, weil sie erfahrungsgemäß richtig spaßig und erlebnisreich sind.

Passende Fotos zu diesem Beitrag habe ich nicht, also gibts einen wilden Mischmasch von Wochenendunternehmungen mit anderen Freiwilligen.

Dienstag, 9. November 2010

Beobachtungen bei der Tafelarbeit


Den heutigen Beitrag möchte ich meinen Beobachtungen widmen, die ich unfreiwillig im Laufe meiner Arbeit in der Entraide (siehe Beschreibungs-Artikel) mache – sowie den Gedanken, die daraus entstehen.
Jeden Montag, Donnerstag und Freitag werden also Menschen, die sich in Notdurft befinden, in der Entraide mit einem nicht gerade kleinen Paket an Nahrungsmitteln und/oder Kleidung versorgt. Auch verbilligte Bustickets kann man hier erwerben. Wie ich inzwischen erfahren habe, haben die Empfänger etwa alle drei Wochen das Recht auf ein solches Paket – zugegeben, leben können sie davon nicht, aber es ist doch sicher eine schöne Unterstützung, materiell sowie auch moralisch.
Ich werde den Inhalt eines solchen Paketes mal etwas aufschlüsseln: ein Mensch erhält im Schnitt etwa: 1 Liter Milch, eine 500 Gramm-Konserve (Bohnen, Erbsen, etc.), ca. 250 Gramm Fleisch (schwankt allerdings öfters) bzw. Fisch, 250 ml verdickte Milch, 250 Gramm Toastbrot, ein bis drei Gebäck-Stücke (Kreppel oder auch «Berliner» zum Beispiel), ca. 400 Gramm Nudeln, 250 bis 500 Gramm Reis, 250 bis 1000 Gramm Mehl, mehrere Tafeln Schokolade, Sonneblumenkernöl, ein bis zwei Sandwiches, ca. 3 Fertigprodukte (Salate, Pizza, etc.), zwischen 300 und 800 Gramm Gemüse und Früchte, Butter, Käse, diverse Joghurte. Das soll nur eine ungefähre Darstellung sein und varriert je nach Einkaufserfolgen (wir haben auch nur das parat, was wir in der banque alimentaire bekommen.).
Die meisten Menschen reagieren mit Dankbarkeit und sind froh über dieses Paket, andere fragen penetrant nach, wollen dies oder das nicht und gegen etwas anderes umtauschen. Manchmal sind sie im Recht und man vergisst etwas obligatorisches, in vielen Fällen aber grenzt dieses Nachbetteln an Dreistigkeit und stört den Arbeitsablauf sowie die Gerechtigkeit, schließlich soll hier jeder ungefähr gleich versorgt werden. Manche dieser dreisteren Empfänger scheinen auch nicht wirklich auf die Pakete angewiesen zu sein und so ist es nicht erst einmal passiert, dass eine Frau, die sich über Fleischmangel in ihrem Paket beschwert hat, nachdem man sie zurechtwies, wutentbrannt ohne ihr Paket gegangen ist. Soetwas finde ich schade – es stört die Atmosphäre, die Mitarbeiter und die anderen Wartenden. Letzte Woche reagierte ein moslemischer Ehemann sehr ungehalten darauf, dass man ihm ausversehen eine Konserve mit Schweinefleisch-Tortellini eingepackt hatte. Auch nach dem Umtausch, einer Entschuldigung sowie der Betonung, es sei der erste Tag des packenden brüllte er noch herum – dafür habe ich auch kein Verständnis. Wir erwarten keine unterwürfige Dankbarkeit, aber Verständnis, Geduld und Freundlichkeit sehe ich nicht als zu viel verlangt an.
Ich befürchte, dass die dauerhafte kostenfreie Versorgung der Menschen einen falschen Effekt hat. Sie werden abhängig und verwöhnt, was einen Einstieg in ein autonomes Leben ohne Tafeln nicht gerade erleichtert. Das Konzept einer «Epicerie Sociale», in der die Menschen einen kleinen Betrag für die Produkte zahlen, halte ich für besser (diese gibt es übrigens auch, ebenfalls durch die Entraide Protestante de Lyon betrieben). Ebenso falsch finde ich das Verteilen von Fertigprodukten, die eher einen Luxus darstellen, den ich aber für unnötig und «erzieherisch» (das soll nicht überheblich klingen!) falsch halte.
Naja, umso schöner sind dann die netten Momente, wenn sich bei der Übergabe des Paketes ein Lächeln im Gesicht der Empfänger ausbreitet und (in seltenen Fällen) auch mal ein kleines Schwätzchen folgt. Eine besonders dankbare Frau aus Marokko beschenkt uns regelmäßig mit tollem Tee und Crêpeähnlichen Teigfladen, die wunderbar schmecken – serviert in traditionellem Geschirr. Darüber freuen sich alle immer besonders – mir gefällt vor allem die Geste, die Fladen verschmähe ich natürlich trotzdem nicht!

PS: Sorry, dass ich kein passendes Foto parat habe...

Sonntag, 24. Oktober 2010

Aufruhr in Frankreich


Diese Rentenreform sorgt für ganz schöne Furore, in Form von Streiks, Demonstrationen und leider auch den verfluchten "casseurs", die eben nur einen Vorwand suchen, um sich mit der Polizei oder wahlweise auch verschiedenen Autos oder Fensterscheiben zu prügeln. Verrücktes Pack. Zu den geeigneten Momenten (Place Bellecourt komplett abgeriegelt, weil sich da eine Art Straßenschlacht abspielt; Hubschrauber über der Innenstadt) hatte ich leider keine Kamera dabei - ich habe dann am Samstag auf dem Weg zum Bahnhof trotzdem versucht, auf einigen Bildern festzuhalten, wie es in Lyon derzeit aussieht. Im Moment hat es sich deutlich beruhigt, schade um die Fotos, schön für die Menschen.

Anmerkung: Ein Klickt vergrößert die Fotos!



Viele, viele Polizisten irren in Lyon herum




Mittwoch, 13. Oktober 2010

Mal wieder was Neues



Piiip piiip piip – laut und penetrant aber effektiv weckt mich mein Handy um 06:30 Uhr, obwohl ich gewöhnlich so spät wie nur möglich aufstehe und dann nach den wichtigsten hygienischen Maßnahmen rüber ins Altenheim hetze. Da ich aber lange keinen Eintrag mehr in meinem Blog vorgenommen habe, habe ich gestern abend beschlossen, den Wecker früher zu stellen und den Morgen gemütlicher, bei einer Tasse Kaffee, einer schöen CD und einem neuen Blogeintrag zu beginnen.

Viel hat sich getan seit den letzten Einträgen und ich werde das Wichtige bzw. Interessante hier zusammenfassen – die Reihenfolge könnte nicht der Realität entsprechen, aber das wird außer mir kaum jemand merken.

Letztes Wochenende war ich zum zweiten Mal in Beaucourt, das ist ein nettes Dörfchen in der Nähe von Belfort, an der schweizerischen Grenze. Dort habe ich das getan, was ich nch so viele Wochenenden tun werde – mich mit anderen Freiwilligen getroffen. Die zwei Tage haben wir dann sehr entspannt mit Kochen, Schwätzen und dem einen oder anderen Glas Cidre verbracht, was wirklich guttat. Untermalt wurde diese entspannte Stimmung von den Sonnentrahlen, die dem hügeligen Dörfchen eine stimmige Untermalung versetzt haben und so fuhr ich Sonntagnachmittag gestärkt richtung Süden.
In Lyon wäre ich dann fast n in eine fiese Fahrkartenkontrolleurs-Falle (Herr Genenz wäre stolz auf diese Alitteration – schreibt man das so?) getappt: In Frankreich muss man die Fahrkarten beim Einsteigen entwerten, aber als ich sah, dass der Busfahrer kurz aussteigt, sah ich eigentlich nicht die Notwendigkeit, dies zu tun – Sonntagsabends ist ja auch nicht mit einer Kontrolle zu rechnen. Glücklicherweise habe ich dann doch entwertet, weil außer mir scheinbar niemand diesen hinterlistigen Gedankengang hatte und jeder gewissenhaft sein Papoerkärtchen in die piependen Automaten steckte, und wurde dann auch prompt kontrolliert, direkt an meiner Aussteigehaltestelle. In meiner Erleichterung und dem gleichzeitigen Adrenalinschock, weil ich mich fast um Achtzig (!!!) statt 1,40 Euro erleichtert hätte, wollte ich den Kontrolleuren mein Billet vorzeigen, fand es aber auf biegen und brechen nicht. Ich durfte dann weitere 4 Haltestellen mit hochrotem Kopf und verzweifelt mein Ticket suchend im Bush verbringen, bevor ich dessen fündig wurde. Puh! Hat mir trotzdem den Abend versaut.

Vor zwei Wochen war meine liebe Mama hier zu Besuch, um sich mein Häuschen, meine Arbeitsstelle sowie Lyon anzusehen – gute Gelegenheit für mich, auch endlich mal meine neue Heimatstadt (Wobei sie natürlich nie ein Ersatz für Eberstadt werden kann, soviel ist klar!) näher zu betrachten.
Doch den Samstag verbrachten wir erstmal abseits von Sonne und Entspannung: In einem großen schwedischen Inneineinrichtungshaus. Der Anblick meiner Wohnung und die damit verbundene Tristesse hatten Mama nämlich einen tiefen Schock versetzt, sodass sie sich gezwungen sah – meine Proteste ignorierend – da nachzuhelfen und meiner Wochnung einen gemütlichen Flair zu verschaffen. Dank meines herzergreifenden Einsatzes konnt eich wenigstens das Schlimmste verhindern und wir kauften nicht zu teuer ein. Um mein schlechtes Gewissen vollends zu beruhigen, haben wir ausgemacht, dass ich, wenn wir endlich mal unser Gehalt haben, einen Teil zurückzahle.
Nach dem Aufbau einer Bettcouch und zweier Regale, dem Ausrollen eines Teppiches und dem Einräumen diverser Kleinigkeiten fing der Samstag auch schon zu dämmern an, sodass wir nichts weiter taten als gemütlich essen zu gehen (Kochen war angesichts eines tiefen Lochs in meinem Kühlschrank nicht möglich).
Sonntag traf ich mich zeitig mit Mama (sie hat in einem Hotel unweit von Tassin genächtigt), um uns Lyon näher anzusehen. Durch einen glücklichen Zufall war mein deutsch-polnischer Nachbar im selben Bus wie wir und konnte uns einen guten Weg beschreiben, auf dem wir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten besuchen konnten – so machten wir es dann auch und wenn ich Ahnung hätte, könnte man hier sicher spannende Beschreibungen, verbunden mit schönen Fotos loswerden – da ich aber weder Ahnung noch am Sonntag eine Speicherkarte in der Kamera hatte/habe, wollen wir es hierbei belassen. Es war schön und interessant sowie anstrengend.

Die Wochentage verlaufen relativ unspektakulär, die Arbeit wird zur Gewohnheit und den «Feierabend» (Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Wort mal ernsthaft benutze) verbringe ich oft bei meinem netten Nachbarn, bei einem Bier oder einem Abendessen oder auch mal nur, um sein Internet zu nutzen. Ich bin froh, dass er hier ist, ohne ihn würde ich mich doch deutlich einsamer fühlen.
Was neu ist, ist mein Fahrrad, das mir Mama mitgebracht hat und das mir auf dem Weg zur Entraide die überfüllten Metros und Busse sowie bares Geld erspart. Etwa dreißig Minuten (mitunter auch weniger) dauert die Fahrt, die nicht ohne Anstrengungen vonstatten geht, dafür bei Sonnenschein aber auch einen einzigartigen Blick auf Lyon gewährt. Außerdem hält es mich fit, denn einen Sportverein habe ich noch nicht gesucht und ob ich noch einen suchen werde, wird sich zeigen. Auf Leichtatlethik habe ich keine Lust mehr und um einen Mannschaftssport anzufangen, ist es meiner Meinung nach zu spät.

So, das reicht vorerst an Neuem. Ich hoffe, ich habe nicht zu lange warten lassen – der nächste Eintrag wird schneller kommen als dieser. Falls sich jemand für meine Optik interessiert, auch mal ein Bild von meiner Wenigkeit - alles wie immer. Das ist übrigens auch auf dem Weg zur Entraide, ich hatte versucht, den schönen Blick über Lyon auf Fotos festzuhalten, mangels ausreichender Kenntnisse des Fotos sowie einer Möglichkeit, hinter den Zaun zu kommen, habe ich es noch nicht ganz geschafft. Ich geb´ aber weiterhin mein Bestes!

Mittwoch, 22. September 2010

Namen...

Mit dem Namen Johannes haben die Franzosen, alt oder jung spielt keine Rolle, durchweg ein paar Problemchen wenns ums Aussprechen geht. Dass das «es» verschluckt wird, ist noch der geringste Fehler, ansonsten kommt es zu amüsanten Variationen (oder wie soll man sowas nennen?) wie Jean, Georges, Joseph oder, am häufigsten «Wie heißen Sie nochmal?». Ich begegne dem Ganzen mit Geduld und Verständnis, bringen mich die ganzen Neuen Namen doch ebenso in Bedrängnis.

Naja, am besten gefällt mir aber mein Namensschild auf meinen Altersheim-Klamotten. Seht selbst: 








Bis bald! 
Yohannes



Donnerstag, 16. September 2010

Menschen kennenlernen

Ich stecke in der ungewohnten Situation, keine Freunde in erreichbarer Nähe zu haben. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich mit dieser Tatsache konfrontiert sah – in der «Perle an der Modau», wie mein guter Freund Mario das schöne Eberstadt nennt, musste man selten alleine sein, esseidenn man wollte es so.
So ist es nicht verwunderlich, dass ich nach der ersten Woche ohne festere soziale Kontakte in Lyon etwas frustriert und enttäuscht war. Ich sowie Sarah haben mir dann gesagt, dass das nach einer Woche ganz normal ist. Hinzuzufügen ist, dass ich auch auf niemanden zugegangen bin – ich sag mir dann immer selbst, dass das nicht meine Art sei, eigentlich bin ich nur ein wenig schüchtern.

Naja, es hat auch sein Gutes, mal mehr Zeit für sich zu haben. Ich lese endlich wieder mehr (zur Zeit ein schräges Buch, dass nach Ende des Zweiten Weltkrieges spielt und davon ausgeht, dass Deutschland als Sieger aus demselben hervorgegangen ist und das großdeutsche Reich sich über die halbe Welt erstreckt. Naja, letzendlich geht es doch dem Untergang entgegen und der völlig von brauner Propaganda verstrahlte Protagonist erwacht aus seinem Traum), außerdem habe ich mehr Zeit, intensiv (nicht nebenher) Musik zu hören, ein bisschen zu kritzeln oder mich vergebens im Lockpicking zu üben.

Wie dem auch sei, die Situation hat sich glücklicherweise ein wenig gewandelt. Erstens werde ich die nächsten beiden Wochenenden mit anderen Freiwilligen in Frankreich verbringen, zweitens hab ich nun endlich meinen deutschen Studentennachbarn kennengelernt und bei einem gemeinsamen Marsch zum nächsten Supermarkt ein nettes Gespräch geführt. Zusätzlich habe ich gestern die Bekanntschaft einer freundlichen Algerierin gemacht, die seit drei Tagen in einer Lyoner Versicherung arbeitet und sich ebenso wie ich gefreut hat, jemanden in Lyon kennenzulernen. Sie ist zwar 27 und hat sicherlich andere Ansichten und Interessen als ich – ich meine, sie arbeitet in einer Versicherung! Fehlt noch, dass ihr Chef Stromberg heißt. Gewisse Ähnlichkeiten zu Erika aus ebendieser Serie sind nicht zu leugnen – ist nicht böse gemeint, Fella. Trotzdem haben wir ein nettes Gespräch geführt und uns für irgendwann zum Mittagessen verabredet.

So, bevor ich noch persönlicher werde, höre ich leiber auf. Schönen Tag noch!

Mein erstes Wochenende

Das erste Wochenene hier habe ich angesichts meines Alters ziemlich ungewöhnlich verbracht, nämlich mit Streifzügen durch Lyon, Kochen (das mache ich sowieso recht gerne und häufig) und viel Schlaf.
Nachdem ich gut gefrühstückt hatte (Rührei), machte ich mich gegen 11 Uhr mit dem Bus und anschließend der Metro auf in Richtung Innenstadt. Das dauert von meinem Ort aus ca. 20 Minuten, ist also völlig machbar. Etwa eine Stunde verbrachte ich in einem bekannten Restaurant für schnelle Mahlzeiten, um mich bei einem Milchshake deren konstenlosen W-Lan zu bedienen. Nachdem ich ein wenig Kontakte gepflegt hatte, bin ich weitergezogen, um mir die Presqu'île anzusehen. Der Name bedeutet so viel wie Fast-eine-Insel, weil dieser Teil von Lyon zwischen den beiden großen Flüssen Rhône und Saune (?) liegt.
Schnell wurde ich dieser Gegend übertrüssig, war sie doch überfüllt mit reichen Touristen und reichen Franzosen, die ihre Zeit mit Shoppen totschlagen. Shoppen ist ein schreckliches Wort und eine schreckliche Betätigung. Naja, ich musste mich dennoch durch die Massen an Menschen und Autos drücken, weil ich einen bestimmten Laden suchte, den sog. OCD, ein Magasin für 2nd hand-CDs. Die nächsten eineinhalb Stunden verbrachte ich dann in ebendiesem Laden mit dem Stöbern nach Cds (Platten haben sie nicht), dem Anhören von Cds und schließlich mit dem Kauf zweier Cds. Eine davon möchte ich erwähnen... sie heißt «The world is a ghetto» und ist von einer Funk-Band namens WAR aus LA von 1970. Die hat es mir wirklich angetan, das Lied «Four Cournered Room» läuft seitdem hoch und runter in meinem ein-Mann-club.



Nach dem Ausflug in die Shopping-Hölle habe ich noch eine gute Stunde an einer Brücke der Saoune (?) verbracht und den Sonnenuntergang, untermalt durch vorbeifahrende Skater, Fahrradfahrer und einen süßlichen Geruch in der Luft, genossen, gelesen und Tagebuch geführt. Fotos von diesem Ort möchte ich bald nachreichen, weil er wirklich malerisch ist.

Den Sonntag habe ich unspektakulär aber angenehm mit Lesen und in Lyon herumschlendern verbracht.

Dienstag, 14. September 2010

Die Arbeit in der Entraide


Also, Montags und Donnerstags arbeite ich bei der Entraide Protestante, einer Tafel im Innern von Lyon. Dort können Menschen ca. alle zwei Wochen vorbeikommen und bekommen ein schönes Paket mit Nahrungsmitteln. Weiterhin gibt es noch eine Kleidungsabteilung, mit der habe ich aber wenig zu tun. In der Entraide arbeiten viele Ehrenamtliche, die Stimmung untereinander ist sehr gut und herzlich.

Größtenteils arbeite ich in der distribution. Wenn die Leute bei der Anmeldung waren, kommen sie in ein Wartezimmer und ihre Tüten, die sie mitgebracht haben, sowie ein Zettel, auf dem steht, für wieviele Personen das Paket gepackt werden soll, sowie weitere Besonderheiten (Kühlschrank, Fleischesser oder nicht).
Ich bin mit mehreren anderen in einer Art Lager, das randvoll ist mit Nahrungsmitteln (auf die Herkunft gehe ich später ein). Immer wenn so eine Tüte bei uns ankommt, nimmt sich also einer von uns ihrer an und befüllt sie je nachdem, was der Zettel uns vorgibt. In dem Lager gibt es viele verschiedene Produkte, von Brioche, Milch, über Nudeln, Reis und Mehl zu Fertigcroissants, Joghurt bis zu Salaten.

Wenn man das fertig ist mit dem Befüllen, geht man zur jeweiligen Person, ruft sie im Zweifelsfall nochmal auf (Ich muss noch lernen, die Namen zu deuten... Weil ich oft nicht weiß ob ich Monsieur oder Madame xyz rufen soll, lese ich einfach den vollen Namen vor. Peinlich) und übergibt ihnen ihr Paket. Dieser Moment gefällt mir sehr, weil dieses Paket vielen der Menschen dort wirklich viel zu bedeuten scheint und sie sich dementsprechend bei der Übergabe freuen. Umsomehr freue ich mich in diesem Moment auch, diese Arbeit zu machen!

Weitere Aufgaben in der Entraide sind die Müllentsorgung. Ich schnappe mir also den Transportwagen, der auf einem nahegelegenen Parkplatz abgestellt ist, belade ihn mit allem an Müll (größtenteils Pappe) und fahre zur etwa zehn Autominuten entfernten déchetterie. Bis jetzt hat mir immer ein sehr netter Mitarbeiter zur Seite gestanden, in Zukunft muss ich das alleine bewältigen. Alleine mit einem verhältnismäßig großen Auto durch Lyon, na Prost Mahlzeit! Der Mitarbeiter (ich habe seinen Namen leider vergessen, wie so viele Namen hier...) war kamerunischer Herkunft, sprach unter anderem auch Deutsch und studiert derzeit Kriminologie. Wirklich schade, dass ich ihn nichtmehr sehen werde – er strebt jetzt dem Abschluss seines Studiums entgegen. Er hatte viel zu sagen, war gebildet und beredt, ganz abgesehen von seiner Herzlichkeit.

Auch in meinen Aufgabenbereich fällt einmal in der Woche der Besuch der banque alimentaire. Dieses riesige Lagerhaus beherbergt Lebensmittel, die im Handel nichtmehr verkauft werden (Verfallsdatum steht kurz bevor) oder auch von der EU gesponsort werden (Ich glaube, das sind Hilfsgüter, die überschüssig sind). Die ganze Rhône-Alpes-Region und ihre Hilfsorganisationen werden hier versorgt. Dementsprechend groß war die Lagerhalle und dementsprechend erstaunt war ich auch. Ich werde versuchen, das nächste Mal Fotos zu machen.
Dort fahre ich also mit einem anderen Mitarbeiter, der überraschenderweise auch Deutsch spricht, hin und kaufe (die Preise betragen wohl so 10 Prozent des Einzehlandelspreises) große Mengen an Fleisch, Brot, Milch und was eben da ist ein. Der erste Einkauf, bei dem ich dabei war, betrug 450 Kilogramm, laut meinem Partner ist das aber verhältnismäßig und die Entraide hat auch schon über 900 Kilogramm eingekauft. Puh!
Wir beladen mehrere Paletten mit den Produkten und versuchen anschließend, das möglichst Platzsparend in das Auto einzuladen und dann vooorsichtig (ich bin gefahren, das war ein Höllenritt) zurück zur Entraide zu fahren, ohne dass zu viele Produkte hinter uns durch die Gegend fliegen.

So, inzwischen konnte ich auch ein paar Fotos schießen...

Hier sieht man drei meiner Kollegen, zufällig sind die drei sympathischsten auf dem Bild. Mit Namen habe ichs noch nicht so, aber die interessieren euch / sie ja ebensowenig.





Auf dem Foto ganz oben sieht man den Van, mit dem wir unter anderem zur Banque Alimentaire fahren. Gestern ware er mit sage und schreibe 950 KG Nahrung gefüllt (so ein volles Auto habe ich selten gesehen) und es war sage und schreibe ich, der das Teil durch Lyon gefahren ist, weil meine Kollegin keinen Führerschein hat. Wider Erwarten lief alles gut!







Hier noch ein Blick in das Lager, in dem wir die Versorgungspakete packen.



Sonntag, 12. September 2010

Ich bin da, es geht mir gut!

So, nach ziemlich genau einer Woche in Lyon habe ich endlich die Mischung aus Zeit und Energie gefunden, um den ersten Bericht abzufassen. Gleich von vornherein... es gibt so viel zu erzählen, aber ich werde mich aufs Wesentliche beschränken, das wäre sonst zu viel.

Das Seminar in Strasbourg, das die Organisation VISA organisiert hat, war super. VISA empfängt Freiwillige aus allen Ländern und hat sie auf die Einsatzstellen verteilt. So kam es, dass man nicht nur mit Deutschen (die meisten kannte man auch schon von den Vorbereitungsseminaren in Deutschland), sondern auch mit Menschen aus einigen anderen Ländern (Ungarn, Türkei, Östereich) Zeit verbrachte. Wobei die Deutschen doch oft unter sich blieben. So oder so, es war eine geile Stimmung und nur widerwillig verließ ich am Montag dem 06. das schöne Strasbourg (Vorher konnte ich zum Glück nochmal Matéo, einen Freund der dort wohnt, besuchen),um mit dem Zug nach Lyon zu fahren.

Nach etwa 5 Stunden Fahrt, die sowohl ihre lustigen als auch ihre traurigen Momente hatte, war ich angekummen und wurde vom Mann meiner Chefin, Monsieur BROCHIER (die Nachnamen werden hier immer großgeschrieben) abgeholt. Ich wurde derselbigen noch vorgestellt, bevor man mir mein kleines Häuschen, in dem ich wohne, zeigte. Ich war auf den ersten Blick schockiert, weil es ziemlich leer und karg wirkte. Ganz vorne auf dem Karg-O-Meter hat das Bett seinen Platz angenommen – das könnte ohne Mist auch in einem Krankenhaus gestanden haben. Inzwischen habe ich mich aber ganz gut eingerichtet. Das Bettgestell ist in der Abstellkammer gelandet und ich halte meinen mehr oder weniger rückenschonenden Schlaf auf der Matratze auf dem Boden. Die Wände sind inzwischen auch nichtmehr so weiß, weil ich die Fotos, die ich mitgenommen habe, aufgehängt habe. Weitere folgen, sobald ich einen Fotodrucker in einem Laden gefunden habe. Naja, so wichtig ist die Wohnung nicht, aber bevor ich mit der Arbeit weitermache, eins noch. Es gibt eine kleine Küche und sogar eine Waschmaschine. Alles in allem kann ich mich wirklich nicht beschweren.

Zur Arbeit... 3 Tage der Woche arbeite ich in der Maison de retraite Dethel, einem Altenheim im eher gehobenen Standard. Morgens um 07:30 kümmere ich mich mit Samuel, einem etwa 28-Jährigen um das Frühstück. Das variiert je nach Person. Manche essen Zwieback, manche einen Brei aus Kaffee, Medizin und einem Verdickungspulver mit Zucker (mhhm). Manche schmieren ihre Zwiebacks selbst, anderen müssen wir da helfen. Die meisten, die diesen Brei (ich habe seinen Namen vergessen) essen, müssen auch gefüttert werden. Eine Aufgabe, die ich auch manchmal übernehme. Und wenn eine ansonsten unbewegliche Frau plötzlich ruft «Oh, comme c'est bon» (Oh, wie gut das ist), macht mir sogar diese eher langweilige Aufgabe Spaß.
Samuel und ich haben also einen Wagen, auf dem alle Utensilien für das Frühstück gelagert sind und bringen denen, die im Zimmer frühstücken, das Frühstück aufs Zimmer. Die, die noch in der Lage sind und wollen, frühstücken gemeinsam an Tischen in Aufenthaltsräumen auf ihrem Gang.

Nach dem Frühstück haben wir kurz Pause, bevor es weitergeht. Dienstags putze ich mit Samuel dann einmal durch die ganze Maison de Retraite (4 Stockwerke in der Summe!). Das hört sich allerdings schlimmer an als es ist, weil wir nur die Gänge putzen. Für die Zimmer ist eine Putzfirma zuständig, bei der auch eine Deutsche arbeitet, mit der ich gerne mal einen Schwatz halte.
Mittwochs steht nach dem Putzen der Choral an. Wer möchte, kommt in einen Saal im Erdgeschoss (oder wird abgeholt) und dann werden gemeinsam mit Mme RAQUIN, meiner Tutorin, Chansons gesungen. Das ist ganz nett, allerdings kannte ich nichts. Wird noch.
Freitags dann ist Gymnastique mit anschließendem Aperetif angesagt. Natürlich wieder freiwillig. Wir holen also alle Damen (Herren gibt es hier kaum) ab oder sagen ihnen bescheid. Eve, die Animatrice macht dann etwa 45 Minuten lang Bewegungsübungen vor (kann man alle im Sitzen machen), die die Anwesenden dann nachmachen. Manche können das noch ganz gut, andere sind bewegungsmäßig schon sehr eingeschränkt. Spaß haben die meisten so oder so daran.

Nach dem Mittagsessen und der Mittagspause von ca. 2 Stunden geht es dann mit der Animation weiter. Eve, die hauseigene Animatrice, bereitet immer ein Programm für die Woche vor, das mehr oder weniger viel variiert. Regelmäßig sind die Gedächtnisübungen einmal die Woche sowie der Pfarrer, der immer Freitags kommt und etwas mit den Menschen unternimmt – diesen Freitag hat er eine kleine Messe gehalten, es kann aber auch vorkommen, dass er Fotos von Wanderungen zeigt. Den Leuten gefällt es jedenfalls immer, es kommen verhältnismäßig viele zu seinen Veranstaltungen.

Im nächsten Eintrag berichte ich von der Arbeit in der Entraide Protestante (das ist in etwa eine Tafel) und meinem Wochenende. Jetzt habe ich aber erstmal genug. Ich muss derzeit, um ins Internet zu kommen, den nächstbesten Macdonalds (dort gibt es kostenloses W-Lan) aufsuchen. Bevor ich schlussmache, bleibt noch zu sagen, dass ich wirklich froh bin, hierzusein.