Mittwoch, 22. September 2010

Namen...

Mit dem Namen Johannes haben die Franzosen, alt oder jung spielt keine Rolle, durchweg ein paar Problemchen wenns ums Aussprechen geht. Dass das «es» verschluckt wird, ist noch der geringste Fehler, ansonsten kommt es zu amüsanten Variationen (oder wie soll man sowas nennen?) wie Jean, Georges, Joseph oder, am häufigsten «Wie heißen Sie nochmal?». Ich begegne dem Ganzen mit Geduld und Verständnis, bringen mich die ganzen Neuen Namen doch ebenso in Bedrängnis.

Naja, am besten gefällt mir aber mein Namensschild auf meinen Altersheim-Klamotten. Seht selbst: 








Bis bald! 
Yohannes



Donnerstag, 16. September 2010

Menschen kennenlernen

Ich stecke in der ungewohnten Situation, keine Freunde in erreichbarer Nähe zu haben. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich mit dieser Tatsache konfrontiert sah – in der «Perle an der Modau», wie mein guter Freund Mario das schöne Eberstadt nennt, musste man selten alleine sein, esseidenn man wollte es so.
So ist es nicht verwunderlich, dass ich nach der ersten Woche ohne festere soziale Kontakte in Lyon etwas frustriert und enttäuscht war. Ich sowie Sarah haben mir dann gesagt, dass das nach einer Woche ganz normal ist. Hinzuzufügen ist, dass ich auch auf niemanden zugegangen bin – ich sag mir dann immer selbst, dass das nicht meine Art sei, eigentlich bin ich nur ein wenig schüchtern.

Naja, es hat auch sein Gutes, mal mehr Zeit für sich zu haben. Ich lese endlich wieder mehr (zur Zeit ein schräges Buch, dass nach Ende des Zweiten Weltkrieges spielt und davon ausgeht, dass Deutschland als Sieger aus demselben hervorgegangen ist und das großdeutsche Reich sich über die halbe Welt erstreckt. Naja, letzendlich geht es doch dem Untergang entgegen und der völlig von brauner Propaganda verstrahlte Protagonist erwacht aus seinem Traum), außerdem habe ich mehr Zeit, intensiv (nicht nebenher) Musik zu hören, ein bisschen zu kritzeln oder mich vergebens im Lockpicking zu üben.

Wie dem auch sei, die Situation hat sich glücklicherweise ein wenig gewandelt. Erstens werde ich die nächsten beiden Wochenenden mit anderen Freiwilligen in Frankreich verbringen, zweitens hab ich nun endlich meinen deutschen Studentennachbarn kennengelernt und bei einem gemeinsamen Marsch zum nächsten Supermarkt ein nettes Gespräch geführt. Zusätzlich habe ich gestern die Bekanntschaft einer freundlichen Algerierin gemacht, die seit drei Tagen in einer Lyoner Versicherung arbeitet und sich ebenso wie ich gefreut hat, jemanden in Lyon kennenzulernen. Sie ist zwar 27 und hat sicherlich andere Ansichten und Interessen als ich – ich meine, sie arbeitet in einer Versicherung! Fehlt noch, dass ihr Chef Stromberg heißt. Gewisse Ähnlichkeiten zu Erika aus ebendieser Serie sind nicht zu leugnen – ist nicht böse gemeint, Fella. Trotzdem haben wir ein nettes Gespräch geführt und uns für irgendwann zum Mittagessen verabredet.

So, bevor ich noch persönlicher werde, höre ich leiber auf. Schönen Tag noch!

Mein erstes Wochenende

Das erste Wochenene hier habe ich angesichts meines Alters ziemlich ungewöhnlich verbracht, nämlich mit Streifzügen durch Lyon, Kochen (das mache ich sowieso recht gerne und häufig) und viel Schlaf.
Nachdem ich gut gefrühstückt hatte (Rührei), machte ich mich gegen 11 Uhr mit dem Bus und anschließend der Metro auf in Richtung Innenstadt. Das dauert von meinem Ort aus ca. 20 Minuten, ist also völlig machbar. Etwa eine Stunde verbrachte ich in einem bekannten Restaurant für schnelle Mahlzeiten, um mich bei einem Milchshake deren konstenlosen W-Lan zu bedienen. Nachdem ich ein wenig Kontakte gepflegt hatte, bin ich weitergezogen, um mir die Presqu'île anzusehen. Der Name bedeutet so viel wie Fast-eine-Insel, weil dieser Teil von Lyon zwischen den beiden großen Flüssen Rhône und Saune (?) liegt.
Schnell wurde ich dieser Gegend übertrüssig, war sie doch überfüllt mit reichen Touristen und reichen Franzosen, die ihre Zeit mit Shoppen totschlagen. Shoppen ist ein schreckliches Wort und eine schreckliche Betätigung. Naja, ich musste mich dennoch durch die Massen an Menschen und Autos drücken, weil ich einen bestimmten Laden suchte, den sog. OCD, ein Magasin für 2nd hand-CDs. Die nächsten eineinhalb Stunden verbrachte ich dann in ebendiesem Laden mit dem Stöbern nach Cds (Platten haben sie nicht), dem Anhören von Cds und schließlich mit dem Kauf zweier Cds. Eine davon möchte ich erwähnen... sie heißt «The world is a ghetto» und ist von einer Funk-Band namens WAR aus LA von 1970. Die hat es mir wirklich angetan, das Lied «Four Cournered Room» läuft seitdem hoch und runter in meinem ein-Mann-club.



Nach dem Ausflug in die Shopping-Hölle habe ich noch eine gute Stunde an einer Brücke der Saoune (?) verbracht und den Sonnenuntergang, untermalt durch vorbeifahrende Skater, Fahrradfahrer und einen süßlichen Geruch in der Luft, genossen, gelesen und Tagebuch geführt. Fotos von diesem Ort möchte ich bald nachreichen, weil er wirklich malerisch ist.

Den Sonntag habe ich unspektakulär aber angenehm mit Lesen und in Lyon herumschlendern verbracht.

Dienstag, 14. September 2010

Die Arbeit in der Entraide


Also, Montags und Donnerstags arbeite ich bei der Entraide Protestante, einer Tafel im Innern von Lyon. Dort können Menschen ca. alle zwei Wochen vorbeikommen und bekommen ein schönes Paket mit Nahrungsmitteln. Weiterhin gibt es noch eine Kleidungsabteilung, mit der habe ich aber wenig zu tun. In der Entraide arbeiten viele Ehrenamtliche, die Stimmung untereinander ist sehr gut und herzlich.

Größtenteils arbeite ich in der distribution. Wenn die Leute bei der Anmeldung waren, kommen sie in ein Wartezimmer und ihre Tüten, die sie mitgebracht haben, sowie ein Zettel, auf dem steht, für wieviele Personen das Paket gepackt werden soll, sowie weitere Besonderheiten (Kühlschrank, Fleischesser oder nicht).
Ich bin mit mehreren anderen in einer Art Lager, das randvoll ist mit Nahrungsmitteln (auf die Herkunft gehe ich später ein). Immer wenn so eine Tüte bei uns ankommt, nimmt sich also einer von uns ihrer an und befüllt sie je nachdem, was der Zettel uns vorgibt. In dem Lager gibt es viele verschiedene Produkte, von Brioche, Milch, über Nudeln, Reis und Mehl zu Fertigcroissants, Joghurt bis zu Salaten.

Wenn man das fertig ist mit dem Befüllen, geht man zur jeweiligen Person, ruft sie im Zweifelsfall nochmal auf (Ich muss noch lernen, die Namen zu deuten... Weil ich oft nicht weiß ob ich Monsieur oder Madame xyz rufen soll, lese ich einfach den vollen Namen vor. Peinlich) und übergibt ihnen ihr Paket. Dieser Moment gefällt mir sehr, weil dieses Paket vielen der Menschen dort wirklich viel zu bedeuten scheint und sie sich dementsprechend bei der Übergabe freuen. Umsomehr freue ich mich in diesem Moment auch, diese Arbeit zu machen!

Weitere Aufgaben in der Entraide sind die Müllentsorgung. Ich schnappe mir also den Transportwagen, der auf einem nahegelegenen Parkplatz abgestellt ist, belade ihn mit allem an Müll (größtenteils Pappe) und fahre zur etwa zehn Autominuten entfernten déchetterie. Bis jetzt hat mir immer ein sehr netter Mitarbeiter zur Seite gestanden, in Zukunft muss ich das alleine bewältigen. Alleine mit einem verhältnismäßig großen Auto durch Lyon, na Prost Mahlzeit! Der Mitarbeiter (ich habe seinen Namen leider vergessen, wie so viele Namen hier...) war kamerunischer Herkunft, sprach unter anderem auch Deutsch und studiert derzeit Kriminologie. Wirklich schade, dass ich ihn nichtmehr sehen werde – er strebt jetzt dem Abschluss seines Studiums entgegen. Er hatte viel zu sagen, war gebildet und beredt, ganz abgesehen von seiner Herzlichkeit.

Auch in meinen Aufgabenbereich fällt einmal in der Woche der Besuch der banque alimentaire. Dieses riesige Lagerhaus beherbergt Lebensmittel, die im Handel nichtmehr verkauft werden (Verfallsdatum steht kurz bevor) oder auch von der EU gesponsort werden (Ich glaube, das sind Hilfsgüter, die überschüssig sind). Die ganze Rhône-Alpes-Region und ihre Hilfsorganisationen werden hier versorgt. Dementsprechend groß war die Lagerhalle und dementsprechend erstaunt war ich auch. Ich werde versuchen, das nächste Mal Fotos zu machen.
Dort fahre ich also mit einem anderen Mitarbeiter, der überraschenderweise auch Deutsch spricht, hin und kaufe (die Preise betragen wohl so 10 Prozent des Einzehlandelspreises) große Mengen an Fleisch, Brot, Milch und was eben da ist ein. Der erste Einkauf, bei dem ich dabei war, betrug 450 Kilogramm, laut meinem Partner ist das aber verhältnismäßig und die Entraide hat auch schon über 900 Kilogramm eingekauft. Puh!
Wir beladen mehrere Paletten mit den Produkten und versuchen anschließend, das möglichst Platzsparend in das Auto einzuladen und dann vooorsichtig (ich bin gefahren, das war ein Höllenritt) zurück zur Entraide zu fahren, ohne dass zu viele Produkte hinter uns durch die Gegend fliegen.

So, inzwischen konnte ich auch ein paar Fotos schießen...

Hier sieht man drei meiner Kollegen, zufällig sind die drei sympathischsten auf dem Bild. Mit Namen habe ichs noch nicht so, aber die interessieren euch / sie ja ebensowenig.





Auf dem Foto ganz oben sieht man den Van, mit dem wir unter anderem zur Banque Alimentaire fahren. Gestern ware er mit sage und schreibe 950 KG Nahrung gefüllt (so ein volles Auto habe ich selten gesehen) und es war sage und schreibe ich, der das Teil durch Lyon gefahren ist, weil meine Kollegin keinen Führerschein hat. Wider Erwarten lief alles gut!







Hier noch ein Blick in das Lager, in dem wir die Versorgungspakete packen.



Sonntag, 12. September 2010

Ich bin da, es geht mir gut!

So, nach ziemlich genau einer Woche in Lyon habe ich endlich die Mischung aus Zeit und Energie gefunden, um den ersten Bericht abzufassen. Gleich von vornherein... es gibt so viel zu erzählen, aber ich werde mich aufs Wesentliche beschränken, das wäre sonst zu viel.

Das Seminar in Strasbourg, das die Organisation VISA organisiert hat, war super. VISA empfängt Freiwillige aus allen Ländern und hat sie auf die Einsatzstellen verteilt. So kam es, dass man nicht nur mit Deutschen (die meisten kannte man auch schon von den Vorbereitungsseminaren in Deutschland), sondern auch mit Menschen aus einigen anderen Ländern (Ungarn, Türkei, Östereich) Zeit verbrachte. Wobei die Deutschen doch oft unter sich blieben. So oder so, es war eine geile Stimmung und nur widerwillig verließ ich am Montag dem 06. das schöne Strasbourg (Vorher konnte ich zum Glück nochmal Matéo, einen Freund der dort wohnt, besuchen),um mit dem Zug nach Lyon zu fahren.

Nach etwa 5 Stunden Fahrt, die sowohl ihre lustigen als auch ihre traurigen Momente hatte, war ich angekummen und wurde vom Mann meiner Chefin, Monsieur BROCHIER (die Nachnamen werden hier immer großgeschrieben) abgeholt. Ich wurde derselbigen noch vorgestellt, bevor man mir mein kleines Häuschen, in dem ich wohne, zeigte. Ich war auf den ersten Blick schockiert, weil es ziemlich leer und karg wirkte. Ganz vorne auf dem Karg-O-Meter hat das Bett seinen Platz angenommen – das könnte ohne Mist auch in einem Krankenhaus gestanden haben. Inzwischen habe ich mich aber ganz gut eingerichtet. Das Bettgestell ist in der Abstellkammer gelandet und ich halte meinen mehr oder weniger rückenschonenden Schlaf auf der Matratze auf dem Boden. Die Wände sind inzwischen auch nichtmehr so weiß, weil ich die Fotos, die ich mitgenommen habe, aufgehängt habe. Weitere folgen, sobald ich einen Fotodrucker in einem Laden gefunden habe. Naja, so wichtig ist die Wohnung nicht, aber bevor ich mit der Arbeit weitermache, eins noch. Es gibt eine kleine Küche und sogar eine Waschmaschine. Alles in allem kann ich mich wirklich nicht beschweren.

Zur Arbeit... 3 Tage der Woche arbeite ich in der Maison de retraite Dethel, einem Altenheim im eher gehobenen Standard. Morgens um 07:30 kümmere ich mich mit Samuel, einem etwa 28-Jährigen um das Frühstück. Das variiert je nach Person. Manche essen Zwieback, manche einen Brei aus Kaffee, Medizin und einem Verdickungspulver mit Zucker (mhhm). Manche schmieren ihre Zwiebacks selbst, anderen müssen wir da helfen. Die meisten, die diesen Brei (ich habe seinen Namen vergessen) essen, müssen auch gefüttert werden. Eine Aufgabe, die ich auch manchmal übernehme. Und wenn eine ansonsten unbewegliche Frau plötzlich ruft «Oh, comme c'est bon» (Oh, wie gut das ist), macht mir sogar diese eher langweilige Aufgabe Spaß.
Samuel und ich haben also einen Wagen, auf dem alle Utensilien für das Frühstück gelagert sind und bringen denen, die im Zimmer frühstücken, das Frühstück aufs Zimmer. Die, die noch in der Lage sind und wollen, frühstücken gemeinsam an Tischen in Aufenthaltsräumen auf ihrem Gang.

Nach dem Frühstück haben wir kurz Pause, bevor es weitergeht. Dienstags putze ich mit Samuel dann einmal durch die ganze Maison de Retraite (4 Stockwerke in der Summe!). Das hört sich allerdings schlimmer an als es ist, weil wir nur die Gänge putzen. Für die Zimmer ist eine Putzfirma zuständig, bei der auch eine Deutsche arbeitet, mit der ich gerne mal einen Schwatz halte.
Mittwochs steht nach dem Putzen der Choral an. Wer möchte, kommt in einen Saal im Erdgeschoss (oder wird abgeholt) und dann werden gemeinsam mit Mme RAQUIN, meiner Tutorin, Chansons gesungen. Das ist ganz nett, allerdings kannte ich nichts. Wird noch.
Freitags dann ist Gymnastique mit anschließendem Aperetif angesagt. Natürlich wieder freiwillig. Wir holen also alle Damen (Herren gibt es hier kaum) ab oder sagen ihnen bescheid. Eve, die Animatrice macht dann etwa 45 Minuten lang Bewegungsübungen vor (kann man alle im Sitzen machen), die die Anwesenden dann nachmachen. Manche können das noch ganz gut, andere sind bewegungsmäßig schon sehr eingeschränkt. Spaß haben die meisten so oder so daran.

Nach dem Mittagsessen und der Mittagspause von ca. 2 Stunden geht es dann mit der Animation weiter. Eve, die hauseigene Animatrice, bereitet immer ein Programm für die Woche vor, das mehr oder weniger viel variiert. Regelmäßig sind die Gedächtnisübungen einmal die Woche sowie der Pfarrer, der immer Freitags kommt und etwas mit den Menschen unternimmt – diesen Freitag hat er eine kleine Messe gehalten, es kann aber auch vorkommen, dass er Fotos von Wanderungen zeigt. Den Leuten gefällt es jedenfalls immer, es kommen verhältnismäßig viele zu seinen Veranstaltungen.

Im nächsten Eintrag berichte ich von der Arbeit in der Entraide Protestante (das ist in etwa eine Tafel) und meinem Wochenende. Jetzt habe ich aber erstmal genug. Ich muss derzeit, um ins Internet zu kommen, den nächstbesten Macdonalds (dort gibt es kostenloses W-Lan) aufsuchen. Bevor ich schlussmache, bleibt noch zu sagen, dass ich wirklich froh bin, hierzusein.