Dienstag, 14. Dezember 2010

Das erste Mal

Standard am Wochenende.
Jaja, der Titel ist etwas zweideutig. Kommen wir also gleich zur Sache, um alle Zweifel aus dem Weg zu räumen – hier geht es nicht (nur?) um Triebe, sondern darum, dass ich innerhalb dieses Jahres so viele Dinge zum ersten Mal mache wie davor lange nicht mehr. Einige erste Male werde ich euch hier auflisten – viel Spaß damit.

Seit September 2010 habe ich in Frankreich zum ersten mal...
  • Eine der besseren Animationen (Fête des lumières)
    die Hälfte meines Monatsgehalts für Zugfahrten ausgegeben
  • ein 30.000-Mann Fußballstadion von innen gesehen (und auch irgendwie mitgefiebert)
  • ein und derselben Residentin (Demenz) dreimal im fünfminuten-Abstand gesagt, dass sie schon gefrühstückt hat
  • einen Kampf zwischen zwei agressiven Lesben in der Disco mitbekommen
  • einen Sprinter mit einer Tonne Nachrungsmitteln durch eine Großstadt gekurvt
  • sechzehn von 72 Stunden in Zügen und Mitfahrgelegenheiten verbracht
  • gänzlich alleine und in Eigenverantwortung gelebt
  • infolgedessen Hotel Mama/Papa erst richtig zu schätzen gelernt
  • zwei Dellen in den Sprinter von der Tafel und zwei weitere Autos gefahren – innerhalb eines Monats
  • Plätzchen von meinem Vater, einen Kuchen von meiner Oma und einen Adventskalender von meiner Mutti per Post erhalten
  • regelmäßig Tagebuch geführt
  • gemerkt, wie es ist, die Woche mit Arbeit zu verbringen und dem Feierabend und dem Wochenende entgegenzufiebern
  • angesichts dessen überlegt, dass mein Leben später mal anders aussehen soll
  • einer Residentin beim Frühstück erklärt, dass es morgen und nicht abend ist
  • gelernt, dass die Mühlen der Bürokratie laaangsam mahlen (→ Gehalt!)
  • einen sechszigjährigen homosexuellen Vater kennengelernt, der mich mehr als offensichtlich angegraben hat
  • EU-Hilfsgüter in der Hand gehalten
  • Rotwein getrunken und genossen
  • eine Anhalter-Reise durch halb Frankreich gemacht (genauerer Bericht folgt)
  • meine Freunde vermisst und mich besonders gefreut, von ihnen zu hören
  • an einem Sonntagmorgen mit dem Gedanken gespielt, mit drei Freiwilligen für ca. drei Stunden Meer eine dreistündige Hin- und eine dreistündige Rückfahrt an die Côte d'Azur zu unternehmen (nicht zum ersten Mal sind solche Pläne dann an den Finanzen und der Vernunft zerschellt)
  • gesehen oder gespürt, dass es tatsächlich Menschen gibt, die gemeinnützige Einrichtungen wie eine Tafel für Menschen in prekärer Lage dreist ausnutzen
  • darüber nachgedacht, ob ein VW-Bus nicht eine wunderbare Anschaffung wäre
  • die Schulzeit und die Leichtigkeit dieser Zeit vermisst
  • einer Frau über achtzig auf die Toilette geholfen, dann vor der Tür zum Warten angehalten unfreiwillig den Geräuschen gelauscht

Eine weitere Animation (Fête des lumières)
Ja, so ist es, dieses Leben und dieses Jahr – ein Abenteuer voller schöner oder nicht so schöner Überraschungen, aber definitiv die Erfahrung wert.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Freizeit

Bischwiller bei Strasbourg
Nach der Arbeit, die etwas mehr Zeit als ein üblicher Schultag einnimmt, habe ich doch tatsächlich noch Zeit, mich anderen Dingen zu widmen. War mir das am Anfang noch etwas zuwider, auch angesichts meiner unwohnlichen Wohnung, habe ich mich inzwischen gut darin eingefunden. Oft bin ich bei meinem Nachbarn zum Schwätzen, Fußballschauen oder auch nur (und da bin ich sehr dankbar!), um sein W-Lan im Warmen nutzen zu können – ansonsten müsste ich fürs Netz immer draußen herumsitzen, was zu dieser Jahreszeit eher unangenehm ist.

Borex nahe Genf
Aber mein Nachbar ist auch mal unterwegs, braucht seine Ruhe oder lernt für anstehende Klausuren – das bedeutet glücklicherweise nicht, dass ich mich langweile. Ich habe wieder angefangen (das ist im Abitrubel und danach erst recht etwas untergegangen), Klavier zu spielen und übe relativ regelmäßig abends, nachdem die «résidents» des Heims fertiggegessen und den Raum freigemacht haben. Mittwochnachmittags mache ich regelmäßig alleine die Animation, weil die Animatrice Eve dann ja nicht da ist, und dann bekommen die résidents auch die Früchte meines Übens zu hören – die Qualität ist zum Glück nicht so entscheidend – und sind darüber auch sehr froh. Da mein Repertoire derzeit auch noch nicht über ausreichende Länge verfügt, um die gesamte Animation zu füllen, wiederhole ich so ziemlich jedes Stück und auch das stört meine Mamis und Papis nicht, im Gegenteil.

Beaucourt bei Montbßeliard
So, zurück zum Thema. Sport kommt nach der Arbeit meistens auch nicht zu kurz – ich versuche, wöchentlich ein- bis zweimal zu joggen. Das ist zwar nicht die Welt, oft genug kann ich mich aber eben nicht aufraffen, weil sich mein Schülerkörper noch nicht ganz an Arbeit und den nicht ganz genügenden Schlaf gewöhnt hat.
Ansonsten schau ich mir auch mal gerne eine Folge Stromberg an, koche hin und wieder (Hauptsächlich esse ich im Moment allerdings Heimfraß, um Geld zu sparen...), male ein bisschen vor mich hin, gehe alle zwei Wochen zum Treffen der Jungen Grünen (das ist eine Gruppe junger Leute, die sich für gemeinsame gesellschaftliche und ökologische Ziele einsetzten wollen – zufällig befindet sie sich gerade im Neuenstehen, was mir erlaubt quasi von Anfang an dabeizusein) oder renne dem Haushalt hinterher (das ist nicht zu wenig...!)
Tassin bei Lyon hihihi





A propos Hinterherrennen: Meinem Gehalt renne ich auch noch hinterher, bisher ist kein einziger Sous vom Staat auf meinem teuren Konto meiner Kackbank eingegangen. Morgen gehe ich mal wieder zur Sécurité Sociale, um nachzufragen, wie es aussieht und den neu aufgesetzten Vertrag abzugeben (der vorige – nicht von mir ausgefüllt, sondern der kompetenten Sekretrice des Heims – hatte wohl einen oder zwei Fehler). Im Wissen, dass ich nicht der einzige Freiwillige, der wartet, bin, hoffe ich allerdings, dass das bis Ende des Jahres noch was wird.
Annonay, garnicht so weit weg von Lyon

Wenn die Hälfte des Jahres vorüber ist, gibt es übrigens ein weiteres fünftägiges Seminar mit allen Freiwilligen – bei CANNES! Ja, richtig gehört, im Januar geht es für uns alle an die Côte d'Azur und ich fieber diesen Tagen schon entgegen, weil sie erfahrungsgemäß richtig spaßig und erlebnisreich sind.

Passende Fotos zu diesem Beitrag habe ich nicht, also gibts einen wilden Mischmasch von Wochenendunternehmungen mit anderen Freiwilligen.