Sonntag, 8. Mai 2011

Kamerun Teil 1

Auch wenn mich die Tagesgeschehnisse nachdenklich machen und ich eigentlich nicht ganz in der fröhlichen Stimmung bin, derer es bedarf, um von meinem schönen Urlaub in Kamerun zu berichten, spüre ich doch, dass es höchste Zeit ist, den Blog nichtmehr länger schleifen zu lassen. Los also, raus aus den dunklen Gedanken rund um Menschenrechte und selbstständiges Aufheben selbiger und rein in die Erinnerung an ein spannendes und so ganz anderes Land als Frankreich und Deutschland.

Ende März habe ich mich auf den Weg nach Yaoundé, der kamerunischen Hauptstadt, gemacht, wo ich von Sarah und Elvis, unserem Taxifahrer für den Morgen, empfangen wurde. (Was Sarah dort macht, kann man übrigens auf ihrem Blog sarahgehtweltwaerts.jimdo.com verfolgen. Auf jeden Fall lesenswert!)
Nach über zwölf Stunden Flug saßen wir dann in Elvis´ Taxi, um eine halbstündige Fahrt im Sonnenaufgang Richtung Innenstadt zu machen. Das Taxi war für mich auf den ersten Blick in einem desaströsen Zustand: Risse in der Frontscheibe, ein Kofferraum, der sich nicht schließen ließ sowie Rückspiegel, die einen deutschen TÜV-Angestellten sicher in Weinkrämpfe ausbrechen hätten lassen, ließen mich doch an der Sicherheit unseres Taxifahrers zweifeln. Als dieser dann in der Innenstadt anfing, unter Hupen auf der Gegenspur zu überholen und generell keine Verkehrsregeln zu kennen schien, äußerte ich Sarah meine Zweifel. Sie blieb erstaunlich ruhig und sagte mir, das sei hier ganz normal. Beruhigt hat mich das im ersten Moment zwar nicht, im Nachhinein muss ich aber sagen, dass ich mich schnell daran gewöhnt habe.

ein typischer "Reisebus"
Wir sind noch am selben Tag aus der Hauptstadt heraus nach Kribi, eine Stadt am Meer gefahren. Reisen zwischen Städten bestreitet man in Kamerun mit großen Reisebussen. Man kauft sich an einem «Schalter», einem kleinen Verschlag hinter einem rostigen Gitter, lässt sein Gepäck auf das Dack packen, wo sich mitunter auch Lebende Schweine, Reissäcke oder Motorräder befinden, setzt sich in den Bus und wartet. Es gibt keine festen Abfahrtszeiten. Die Unternehmen warten, bis auch jeder noch so kleine Platz im Bus besetzt ist. Während dieser Wartezeit bekommt man wirklich alle zwei Minuten am Fenster etwas angeboten. Das Leben und auch das Einkaufen, spielt sich v.a. in den großen Städten größtenteils auf der Straße ab. Dort kann man so gut wie alles erstehen, was man zum Leben braucht. Handtücher, Handyguthaben, Zeitungen, Wundermittel gegen Krankheiten, die es nicht gibt, Fleischspieße, kräppelähnliches Gebäck, Kleidung aller Art, … diese Liste könnte ich ewig fortsetzten. Bedarf es nach etwas Bestimmten kann man auch problemlos jemanden schicken, der dann gegen einen kleinen Aufpreis damit zurückkommt. Doch zurück zum Thema: der Bus. Als die Vierrerreihen dann endlich mit jeweils fünf Menschen besetzt waren, ging die Fahrt los. In der Mittagshitze fuhren wir über die sehr leere Landstraße. In den Dörfern, die die Straße säumten, fuhr der Bus langsamer und am Fenster bot man uns Wasser in Plastiksäcken und Essen an. Ansonsten war die Fahrt recht ereignislos. Die Straße, gesäumt von Urwald, schien außer von unserem Reisebus nur von Holz- oder Biertransportern frequentiert zu werden. Ab und an sah man Fußgänger am Rand der Straße. Privatautos sind in Kamerun eine wirkliche Seltenheit.

Sonnenuntergang am Strand von Kribi
Angekommen in Kribi mussten wir uns erstmal unsere Taschen «erkämpfen», da emsige Taxifahrer sich diese direkt bei der Ankunft schnappen, um die Kunden für sich zu gewinnen. Gerade als Weißer hat man es dort nochmal ein wenig schwieriger, da die Taxifahrer eben noch ein wenig hartnäckiger sind, in Erwartung einer guten Bezahlung. Nach viel Handeln (muss man in Kamerun bei einer Taxifahrt fast immer machen), hatten wir einen Motorradfahrer gefunden, der uns zu unserem Hotel, das ein wenig vor der Stadt lag, fuhr. Entlang an einer wunderschönen Strandpromenade fuhren wir im warmen Sommerwind und nach dieser fünfzehnminütigen Fahrt, die uns umgerechnet keine fünfzig Cent kostete, fiel ich erstmal ins Bett, erschlagen von den Bildern und dem Klima.
Später ging es dann, wieder auf einem Taximofa, zurück in die Innenstadt, in eines der «Restaurants», um Fisch zu essen. Ein Restaurantbesuch läuft in Kamerun folgendermaßen ab: Bei der Frau, die auf einem provisorischen Grill (der oftmals aus einer Autofelge gebaut wurde) marinierten Fisch anbrät, sucht man sich einen Fisch aus, anschlie0end eine Beilage (gebratene Plantaines, Reis oder «Manjok» - dazu später) erhandelt einen Preis und setzt sich anschließend in eine Bar daneben. Die Bar besteht aus einer Art Theke (manchmal mit, manchmal ohne Kühlschrank) und vielen abgenutzten Stühlen und Tischen. Dort bestellt man sich dann ein Getränk – verschiedene Bier- oder Limonadesorten stehen zur Wahl. Ist das Essen fertig, bringt meistens das Kind der Zubereiterin (es sind fast immer Frauen) das Essen sowie eine Schale Wasser vorbei. In dem Wasser wäscht man sich die rechte Hand ab, da diese anschließend zum Essen benutzt wird. Die linke Hand zum Essen zu nutzen, ist nicht so gerne gesehen, da diese traditionell in den Toiletten einen anderen Zweck erfüllt. Fisch mit der Hand zu essen ist übrigens unheimlich praktisch und macht irgendwie sogar Freude.
Während des Essens hatten wir Blick auf die unheimlich lebhafte Straße, die von nichts als den spärlichen Lichtern der Bars und den zahlreichen Scheinwerfern von Autos und Mofas erleuchtet wurde. Zusammen mit der penetranten nigerianischen Musik ist so ein Abendessen wirklich beeindruckend und so ganz anders als ein «Restaurantbesuch» in Deutschland oder Frankreich.

Ein Strand in Kribi bei Tag
In den folgenden Einträgen zu Kamerun werde ich versuchen, mich kürzer zu fassen. Fotos gibt es aus diesem Reiseabschnitt leider kaum, da der Akku der Kamera leer und das Ladegerät sich an einem anderen Ort als wir befand. Nächstes Mal mehr!

Mittwoch, 16. März 2011

Ausflug nach Freiburg


Ja, wir haben Spaß!
Nachdem ich gesehen habe, wie groß der Abstand zwischen den zwei letzten Einträgen ist, ist der Vorsatz in mir gewachsen, ab jetzt kürzere Einträge in kleineren Abständen zu verfassen. Kommen wir zur Sache: das letzte Wochenende habe ich in Freiburg verbracht. Gemeinsam mit Oliver, der dort zur Zeit ein Praktikum absolviert und seinem aus Darmstadt angereiste Bruder Mario (beide Namen v.d. Red. geändert).

Die Anreise hat zwar ihre vier bis viereinhalb Stunden gedauert, daran habe ich mich inzwischen aber gewöhnt. Die Freude, als mich die beiden in Colmar am Bahnhof abgeholt haben, war groß.
Auf dem Schlossberg

Wir haben uns am Samstag von Oliver durch Freiburg führen lassen (1 A Ortskenntnis!), den Müster, den Schlossberg und die hübsche Innenstadt mit ihren kleinen eingelassenen Bächen gesehen und mussten dank der Eltern der beiden auch nie hungern! :) Im Laufe der «Besichtung» ist die Erkenntnis über die Schönheit und Idylle der Fahrradstadt Freiburg stetig gewachsen. Vielleicht werde ich mein Studium ja hier verbringen? Ich würde nicht nein sagen. Vorher muss allerdings erstmal ein passender Studiengang aufgetrieben werden.

Samstagabend haben wir uns dann ein Restaurant (Spaghetti für 1,90. Und was für Spaghetti!) und einige Kneipen von innen angesehen und auch hier neigen die Freburger, wie auch bei ihren Geschäften, eher zu kleinen individuellen Einrichtungen statt dem üblichen Standardkram. Sympathisch!

Süßes Rathäusle
Sonntagmorgen wurde das verdiente Ausschlafen von Marios früher Abreise (der Sport rief) überstimmt. So hatten Oli und ich aber noch genug Zeit, den Gottesdienst im Münster zu besuchen und anschließend gemütlich nachhause zu schlendern. Auf dem Heimweg haben wir ein besetztes Haus entdeckt. Dort trafen wir auf zwei sehr nette Gitarrenspielerinnen und ihre Musik an diesem Ort, in dem alles jedem gehört (Umsonst-Laden inklusive) und der vor Offenheit nur so zu strotzen schien, ist mir bis jetzt im Ohr geblieben.

Ja, die bauen dort auch Gemüse an.
Zuhause angekommen bekochten Oli und ich uns mit einer regionalen Spezialität, bevor wir das Auto einer bekannten Familie abholten, mit dem mich Oli nach Mulhouse brachte. Dort hieß es dann das zweite Mal an diesem Tag Abschied nehmen, als ich meine Mitfahrgelgenheit nach Lyon fand. Alles in allem ein gelungenes, schönes Wochenende!

Dienstag, 8. März 2011

Mal wieder was Neues Nr.2

Rege Beteiltung bei der Gymnastik.
Mit Tobi (Freiwilligen-Kollege) in der Entraide
Hallihallo,
lästige Zwischenberichte, die geschrieben werden mussten und ein damit einher gehender Mangel an zusätzlicher Motivation haben mich den Blog ein wenig hängen lassen. Und auch im Moment bin ich nicht ganz auf der Höhe, weshalb ich nur ein kleines Update geben möchte, gespickt mit vielen Fotos.

Die letzten Wochenenden war ich verhältnismäßig häufig «zuhause» in Lyon, um mich über Studiengänge zu informieren, den Geburtstag meines Nachbarn Grzegorz zu feiern, mit Hannah (sie wohnt etwa eine Stunde von Lyon entfernt) Lyon zu erkunden und mir auch einfach mal ein Wochenende Ruhe zu gönnen. Dazu wird es in den Kommenden nämlich keinen Platz geben.
Gymnastique
Ansonsten, war ich mal wieder in Strasbourg, genaugenommen Bischwiller, um den Geburtstag dreier Freiwilliger zu feiern. Dann ging es auch mal wieder gen Süden. Ich bin per Anhalter zu Tobi nach Avignon getrampt, wo wir trotz Regen viel Spaß hatten. Das letzte Wochenende war ich mal wieder in Montbéliard, bei Freddy und Annika, wo uns Regen den Plan, Zelten zu gehen, vermasselt hat. Spaß hatten wir trotzdem, außerdem habe ich beim Trampen auf dem Hinweg einen netten Menschen kennengelernt, der fast jedes Wochenende mit dem Auto nach Brüssel fährt und immer fast an Montbéliard vorbeifährt. Er hat mir angeboten, mich gerne wieder mitzunehmen, und so haben wir unsere Handynummern ausgetauscht. Es ist immer wieder schön und interessant, was für Menschen man beim Trampen kennenlernt.
Eine liebe nette Dame.

Die kommenden Wochenenden sehen so aus: Freddy's Geburtstag in Montbéliard feiern, Oliver in Freiburg besuchen, Jonas' Geburtstag bei mir in Lyon feiern, und dann geht es nach Kamerun, zwei Wochen Sarah besuchen. Ja, richtig gelesen, ich verlasse zum ersten Mal unseren kleinen reichen Kontinent, um meinen schmalen Horizont einer kleinen Erweiterung zu unterziehen.

Sie mag keine Fotos.
So, die Sonne scheint, ich werde also den Rest meiner Mittagspause im Freien verbringen. Wünsche euch eine ebenso schöne Sonne.
















Die ist soo süß!

Dienstag, 18. Januar 2011

Zwischenseminar in Cannes


Blick vom Balkon aus - 07:10 Uhr morgens
 Auf die letzte Woche habe ich mich – wie übrigens auch alle anderen Freiwilligen – schon lange im Vorhinein gefreut. Es ging nach Théoule-sur-mer, ein kleines Dorf neben Cannes, um dort das sogenannte Zwischenseminar zu halten. Das Wochenende davor gab es wieder Besuch von meinen netten Freiwilligenkollegen. Mangels Energie und Feierlaune haben wir die Zeit gemütlich bei mir, im Garten des Altenheims und auf dem schönen Platz vor dem hotel de ville von Tassin, direkt bei mir um die Ecke, verbracht.
Montagmorgen ging es dann in den TGV Richtung Cannes, der schon mit anderen Freiwilligen aus dem Elsass gefüllt war. Es war ein fröhliches Wiedersehen, das am Bahnhof von Cannes seinen Höhepunkt fand – dort war schon ein großer Haufen Freiwillliger und obwohl ich viele von ihnen höchstens vom Namen her kenne – es sind auch mehr als Sechzig in der Summe, war es schön, sie wiederzusehen. Direkt nachdem wir an unserer «Residenz» - dazu später mehr – angekommen waren, habe ich mich mit Freddy auf ans Meer gemacht. Wir fanden eine wunderschöne Bucht mit Steinstrand und Blick auf das in der Nacht leuchtende Cannes. Trotz der Schwärze und Ungeheuerlichkeit, die so ein Meer, von Felsen umgeben, nachts ausstrahlt, waren wir dann auch für wenige Momente im eiskalten Wasser, um es eben mal gemacht zu haben. So ist das manchmal, wenn man jung ist.

Unser ganzes Seminar hat sich in einer sehr interessanten Einrichtung abgespielt. Die «Villa Ste. Camille» ist ein Ort der Begegnung. Hier leben Menschen im Ruhestand, eben so wie Menschen in sozial schwieriger Lage, die einen Wiedereinstieg in die Gesellschaft nötig haben. Diese verrichten dann auch größtenteils die Arbeit – am Empfang, in der Kantine, etc. - und verdienen sich so etwas hinzu. Es war interessant, in einer so vielseitig gemischten Umgebung zu leben. Leider habe ich es versäumt, mich bei den Mahlzeiten oder danach in Gespräche mit den Leuten zu stürzen. Den freundlichen Umgang miteinander habe ich trotzdem gespürt und zu schätzen gewusst.
Das Programm des Seminars war vielseitig und größtenteils interessant. Ich werde mich hier auf diese Punkte beschränken. In kleinen Gruppen haben wir unseren Aufenthalt in Frankreich bis zu diesem Zeitpunkt resümiert und – wenn der Fall gegeben war – über Probleme geredet. Offene Fragen konnten von den Experten von VISA (unsere französische Organisation) geklärt werden, da diese besser als jeder andere über unsere Rechte und Pflichten im Klaren sind.

Sonnenaufgang Klappe die Zweite
Viel interessanter aber war die Arbeit, die wir mit zwei Schauspielern aus dem Theater durchgeführt haben. Bereits vom ersten Tag an wussten wir, dass wir den letzten Tag, Freitag, mit einem Theaterspektakel für die Residenten des Heims abschließen sollten. Jetzt könnte man sich vorstellen, dass wir die Woche mit den Vorbereitungen eines Theaterstücks verbracht haben, aber weit gefehlt. Mit den Vorbereitungen dafür haben wir in Kleingruppen Donnerstag 21:30 Uhr begonnen. Die anderen Tageseinheiten, die wir mit den beiden verbracht haben, haben wir kleine – ich würde sie selbstsicherheitsstärkende – Übungen gemacht, beispielsweise ist man blind und singend auf die beiden zugerannt, in dem Vertrauen, dass sie einen vor der Wand schon anhalten werden. Solcher Übungen gab es viele. Sie haben mir gefallen und ich würde auch sagen, dass sie nicht nur bei mir eine Veränderung bewirkt haben.
Die zehn Theaterstücke, die die Kleingruppen am Freitag aufführten, waren witzig, teilweise erstaunlich gut und dank verschiedener Genres, die wir zur Wahl hatten, sehr abwechslungsreich. Wir haben übrigens eine Comédie Musicale aufgeführt. Wenn es ein Video gibt, wird es hier im Blog erscheinen, denke ich.
Hampeln auf dem Gelände des Filmfestivals
Einen freien halben Tag hatten wir zwischen dem vielen Programm dann doch, um uns Cannes anzusehen. Es hätten auch zwei freie Stunden gereicht. So viel hat Cannes nicht zu bieten, es seidenn, man interessiert sich für langweilige Menschen in langweiliger teurer Kleidung, die sich durch langweilige Einkaufsstraßen mit langweiligen teuren Läden drücken. Ihr seht, mir hat es diese Gruppe Menschen wenig angetan. Das hat sich dadurch, dass ich noch nie so viele Pelze, die sich um Nacken schlängeln, gesehen habe, nur verstärkt. Nachdem wir also ein wenig durch die Innenstadt spaziert waren, verbrachten wir den größten Teil der Zeit dann am Strand (bzw. im Wasser!).

Und jetzt sitze ich wieder im wesentlich kühleren Lyon und vermisse das Meer und die Masse an Gleichgesinnten. Im Sommer, haben wir uns gesagt, kehren wir definitiv an die côte d'azur zurück. Von Lyon aus kann man in zweieinhalb bis drei Stunden dasein, habe ich mir sagen lassen. Im Sommer werden wir das definitiv öftes ausprobieren. Ich freue mich schon!

Dienstag, 14. Dezember 2010

Das erste Mal

Standard am Wochenende.
Jaja, der Titel ist etwas zweideutig. Kommen wir also gleich zur Sache, um alle Zweifel aus dem Weg zu räumen – hier geht es nicht (nur?) um Triebe, sondern darum, dass ich innerhalb dieses Jahres so viele Dinge zum ersten Mal mache wie davor lange nicht mehr. Einige erste Male werde ich euch hier auflisten – viel Spaß damit.

Seit September 2010 habe ich in Frankreich zum ersten mal...
  • Eine der besseren Animationen (Fête des lumières)
    die Hälfte meines Monatsgehalts für Zugfahrten ausgegeben
  • ein 30.000-Mann Fußballstadion von innen gesehen (und auch irgendwie mitgefiebert)
  • ein und derselben Residentin (Demenz) dreimal im fünfminuten-Abstand gesagt, dass sie schon gefrühstückt hat
  • einen Kampf zwischen zwei agressiven Lesben in der Disco mitbekommen
  • einen Sprinter mit einer Tonne Nachrungsmitteln durch eine Großstadt gekurvt
  • sechzehn von 72 Stunden in Zügen und Mitfahrgelegenheiten verbracht
  • gänzlich alleine und in Eigenverantwortung gelebt
  • infolgedessen Hotel Mama/Papa erst richtig zu schätzen gelernt
  • zwei Dellen in den Sprinter von der Tafel und zwei weitere Autos gefahren – innerhalb eines Monats
  • Plätzchen von meinem Vater, einen Kuchen von meiner Oma und einen Adventskalender von meiner Mutti per Post erhalten
  • regelmäßig Tagebuch geführt
  • gemerkt, wie es ist, die Woche mit Arbeit zu verbringen und dem Feierabend und dem Wochenende entgegenzufiebern
  • angesichts dessen überlegt, dass mein Leben später mal anders aussehen soll
  • einer Residentin beim Frühstück erklärt, dass es morgen und nicht abend ist
  • gelernt, dass die Mühlen der Bürokratie laaangsam mahlen (→ Gehalt!)
  • einen sechszigjährigen homosexuellen Vater kennengelernt, der mich mehr als offensichtlich angegraben hat
  • EU-Hilfsgüter in der Hand gehalten
  • Rotwein getrunken und genossen
  • eine Anhalter-Reise durch halb Frankreich gemacht (genauerer Bericht folgt)
  • meine Freunde vermisst und mich besonders gefreut, von ihnen zu hören
  • an einem Sonntagmorgen mit dem Gedanken gespielt, mit drei Freiwilligen für ca. drei Stunden Meer eine dreistündige Hin- und eine dreistündige Rückfahrt an die Côte d'Azur zu unternehmen (nicht zum ersten Mal sind solche Pläne dann an den Finanzen und der Vernunft zerschellt)
  • gesehen oder gespürt, dass es tatsächlich Menschen gibt, die gemeinnützige Einrichtungen wie eine Tafel für Menschen in prekärer Lage dreist ausnutzen
  • darüber nachgedacht, ob ein VW-Bus nicht eine wunderbare Anschaffung wäre
  • die Schulzeit und die Leichtigkeit dieser Zeit vermisst
  • einer Frau über achtzig auf die Toilette geholfen, dann vor der Tür zum Warten angehalten unfreiwillig den Geräuschen gelauscht

Eine weitere Animation (Fête des lumières)
Ja, so ist es, dieses Leben und dieses Jahr – ein Abenteuer voller schöner oder nicht so schöner Überraschungen, aber definitiv die Erfahrung wert.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Freizeit

Bischwiller bei Strasbourg
Nach der Arbeit, die etwas mehr Zeit als ein üblicher Schultag einnimmt, habe ich doch tatsächlich noch Zeit, mich anderen Dingen zu widmen. War mir das am Anfang noch etwas zuwider, auch angesichts meiner unwohnlichen Wohnung, habe ich mich inzwischen gut darin eingefunden. Oft bin ich bei meinem Nachbarn zum Schwätzen, Fußballschauen oder auch nur (und da bin ich sehr dankbar!), um sein W-Lan im Warmen nutzen zu können – ansonsten müsste ich fürs Netz immer draußen herumsitzen, was zu dieser Jahreszeit eher unangenehm ist.

Borex nahe Genf
Aber mein Nachbar ist auch mal unterwegs, braucht seine Ruhe oder lernt für anstehende Klausuren – das bedeutet glücklicherweise nicht, dass ich mich langweile. Ich habe wieder angefangen (das ist im Abitrubel und danach erst recht etwas untergegangen), Klavier zu spielen und übe relativ regelmäßig abends, nachdem die «résidents» des Heims fertiggegessen und den Raum freigemacht haben. Mittwochnachmittags mache ich regelmäßig alleine die Animation, weil die Animatrice Eve dann ja nicht da ist, und dann bekommen die résidents auch die Früchte meines Übens zu hören – die Qualität ist zum Glück nicht so entscheidend – und sind darüber auch sehr froh. Da mein Repertoire derzeit auch noch nicht über ausreichende Länge verfügt, um die gesamte Animation zu füllen, wiederhole ich so ziemlich jedes Stück und auch das stört meine Mamis und Papis nicht, im Gegenteil.

Beaucourt bei Montbßeliard
So, zurück zum Thema. Sport kommt nach der Arbeit meistens auch nicht zu kurz – ich versuche, wöchentlich ein- bis zweimal zu joggen. Das ist zwar nicht die Welt, oft genug kann ich mich aber eben nicht aufraffen, weil sich mein Schülerkörper noch nicht ganz an Arbeit und den nicht ganz genügenden Schlaf gewöhnt hat.
Ansonsten schau ich mir auch mal gerne eine Folge Stromberg an, koche hin und wieder (Hauptsächlich esse ich im Moment allerdings Heimfraß, um Geld zu sparen...), male ein bisschen vor mich hin, gehe alle zwei Wochen zum Treffen der Jungen Grünen (das ist eine Gruppe junger Leute, die sich für gemeinsame gesellschaftliche und ökologische Ziele einsetzten wollen – zufällig befindet sie sich gerade im Neuenstehen, was mir erlaubt quasi von Anfang an dabeizusein) oder renne dem Haushalt hinterher (das ist nicht zu wenig...!)
Tassin bei Lyon hihihi





A propos Hinterherrennen: Meinem Gehalt renne ich auch noch hinterher, bisher ist kein einziger Sous vom Staat auf meinem teuren Konto meiner Kackbank eingegangen. Morgen gehe ich mal wieder zur Sécurité Sociale, um nachzufragen, wie es aussieht und den neu aufgesetzten Vertrag abzugeben (der vorige – nicht von mir ausgefüllt, sondern der kompetenten Sekretrice des Heims – hatte wohl einen oder zwei Fehler). Im Wissen, dass ich nicht der einzige Freiwillige, der wartet, bin, hoffe ich allerdings, dass das bis Ende des Jahres noch was wird.
Annonay, garnicht so weit weg von Lyon

Wenn die Hälfte des Jahres vorüber ist, gibt es übrigens ein weiteres fünftägiges Seminar mit allen Freiwilligen – bei CANNES! Ja, richtig gehört, im Januar geht es für uns alle an die Côte d'Azur und ich fieber diesen Tagen schon entgegen, weil sie erfahrungsgemäß richtig spaßig und erlebnisreich sind.

Passende Fotos zu diesem Beitrag habe ich nicht, also gibts einen wilden Mischmasch von Wochenendunternehmungen mit anderen Freiwilligen.

Dienstag, 9. November 2010

Beobachtungen bei der Tafelarbeit


Den heutigen Beitrag möchte ich meinen Beobachtungen widmen, die ich unfreiwillig im Laufe meiner Arbeit in der Entraide (siehe Beschreibungs-Artikel) mache – sowie den Gedanken, die daraus entstehen.
Jeden Montag, Donnerstag und Freitag werden also Menschen, die sich in Notdurft befinden, in der Entraide mit einem nicht gerade kleinen Paket an Nahrungsmitteln und/oder Kleidung versorgt. Auch verbilligte Bustickets kann man hier erwerben. Wie ich inzwischen erfahren habe, haben die Empfänger etwa alle drei Wochen das Recht auf ein solches Paket – zugegeben, leben können sie davon nicht, aber es ist doch sicher eine schöne Unterstützung, materiell sowie auch moralisch.
Ich werde den Inhalt eines solchen Paketes mal etwas aufschlüsseln: ein Mensch erhält im Schnitt etwa: 1 Liter Milch, eine 500 Gramm-Konserve (Bohnen, Erbsen, etc.), ca. 250 Gramm Fleisch (schwankt allerdings öfters) bzw. Fisch, 250 ml verdickte Milch, 250 Gramm Toastbrot, ein bis drei Gebäck-Stücke (Kreppel oder auch «Berliner» zum Beispiel), ca. 400 Gramm Nudeln, 250 bis 500 Gramm Reis, 250 bis 1000 Gramm Mehl, mehrere Tafeln Schokolade, Sonneblumenkernöl, ein bis zwei Sandwiches, ca. 3 Fertigprodukte (Salate, Pizza, etc.), zwischen 300 und 800 Gramm Gemüse und Früchte, Butter, Käse, diverse Joghurte. Das soll nur eine ungefähre Darstellung sein und varriert je nach Einkaufserfolgen (wir haben auch nur das parat, was wir in der banque alimentaire bekommen.).
Die meisten Menschen reagieren mit Dankbarkeit und sind froh über dieses Paket, andere fragen penetrant nach, wollen dies oder das nicht und gegen etwas anderes umtauschen. Manchmal sind sie im Recht und man vergisst etwas obligatorisches, in vielen Fällen aber grenzt dieses Nachbetteln an Dreistigkeit und stört den Arbeitsablauf sowie die Gerechtigkeit, schließlich soll hier jeder ungefähr gleich versorgt werden. Manche dieser dreisteren Empfänger scheinen auch nicht wirklich auf die Pakete angewiesen zu sein und so ist es nicht erst einmal passiert, dass eine Frau, die sich über Fleischmangel in ihrem Paket beschwert hat, nachdem man sie zurechtwies, wutentbrannt ohne ihr Paket gegangen ist. Soetwas finde ich schade – es stört die Atmosphäre, die Mitarbeiter und die anderen Wartenden. Letzte Woche reagierte ein moslemischer Ehemann sehr ungehalten darauf, dass man ihm ausversehen eine Konserve mit Schweinefleisch-Tortellini eingepackt hatte. Auch nach dem Umtausch, einer Entschuldigung sowie der Betonung, es sei der erste Tag des packenden brüllte er noch herum – dafür habe ich auch kein Verständnis. Wir erwarten keine unterwürfige Dankbarkeit, aber Verständnis, Geduld und Freundlichkeit sehe ich nicht als zu viel verlangt an.
Ich befürchte, dass die dauerhafte kostenfreie Versorgung der Menschen einen falschen Effekt hat. Sie werden abhängig und verwöhnt, was einen Einstieg in ein autonomes Leben ohne Tafeln nicht gerade erleichtert. Das Konzept einer «Epicerie Sociale», in der die Menschen einen kleinen Betrag für die Produkte zahlen, halte ich für besser (diese gibt es übrigens auch, ebenfalls durch die Entraide Protestante de Lyon betrieben). Ebenso falsch finde ich das Verteilen von Fertigprodukten, die eher einen Luxus darstellen, den ich aber für unnötig und «erzieherisch» (das soll nicht überheblich klingen!) falsch halte.
Naja, umso schöner sind dann die netten Momente, wenn sich bei der Übergabe des Paketes ein Lächeln im Gesicht der Empfänger ausbreitet und (in seltenen Fällen) auch mal ein kleines Schwätzchen folgt. Eine besonders dankbare Frau aus Marokko beschenkt uns regelmäßig mit tollem Tee und Crêpeähnlichen Teigfladen, die wunderbar schmecken – serviert in traditionellem Geschirr. Darüber freuen sich alle immer besonders – mir gefällt vor allem die Geste, die Fladen verschmähe ich natürlich trotzdem nicht!

PS: Sorry, dass ich kein passendes Foto parat habe...